„Wir landen um etwa 17:05 Uhr. Das Wetter in Venedig ist sonnig, mit wenigen Wolken. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt!“, nuschelte der Pilot auf Englisch durch die Lautsprecher. Wir waren da. Endlich. Nach einem Jahr Vorfreude waren wir nun endlich angekommen. In Venedig. Mit weniger Chaos als erwartet stürmten wir den italienischen Flughafen. Schnell bekamen wir unsere Koffer und freuten uns auf dem schnellstmöglichen Weg in unsere Apartments zu kommen. Apartments? Ja, richtig gelesen. Die 12/3 reiste nicht nur in die schönste Stadt Europas, sondern wohnte auch noch in Wohnungen, zehn Bootsminuten vom weltberühmten Markusplatz entfernt.
Aus „schnellstmöglich“ wurde erst einmal gar nichts. Die Vaporettotickets mussten erstmal gekauft werden und dann auch noch der Bus gefunden werden, der uns vom Flughafen wegbringen sollte.
Für die, die jetzt sagen: Vaporetto – was ist denn das? Hier die Antwort: Venedig ist eine Inselgruppe, die vom Canale Grande (einem langen Kanal) und vielen kleineren Wasserstraßen durchzogen ist. Es ist schwer vorstellbar, aber so etwas wie eine U-Bahn oder Autos gibt es dort nicht. Die vielen Brücken und engen Gassen zwischen den Häusern machen Autoverkehr nämlich unmöglich. Deswegen läuft in Venedig alles über das Wasser: Personentransporter, Polizei und sogar die Müllabfuhr fahren mit Booten zu ihren Einsätzen. Für uns Touris und die Einheimischen dienen daher auch Wasserbusse (Vaporettos) als alltägliches Verkehrsmittel. Mit diesen Wasserbussen machten wir sogleich Bekanntschaft, nachdem wir den Weg zum Busbahnhof gefunden hatten.
Zwanzig orientierungslose Schüler und ihren Lehrerinnen, Frau Hörnig und Frau Volkmann, bahnten sich samt ihrer Koffer den Weg durch die Menschenmenge zur Anlegestelle, um dort beim Warten voller Entsetzen festzustellen, dass alles schaukelte. Das Wort „schaukeln“ war wohl das meistgehörte und -gedachte Wort dieser Reise.
Als wir uns von diesem ersten Gefühl der Übelkeit erholt hatten, enterten wir das Boot.
Ohne zu übertreiben kann ich sagen, dass es ein atemberaubendes Gefühl ist, in der Dämmerung über das offene Meer (in dem Venedig ja liegt) zu brausen, den Wind zu spüren und einfach die wunderschöne Silhouette der Stadt zu sehen. Wunderschön war übrigens das zweithäufigste Wort der Reise: Angefangen mit den Apartments, die wir am Abend bezogen. Zu dritt, zu viert und zu sechst teilten wir Schüler uns je ein Apartment, von wo aus man einen wunderschönen Blick auf die venezianische Landschaft hatte.
Am nächsten Morgen ging es im Dogenpalast, dem Regierungs- und Justizsitz, am Markusplatz weiter. Natürlich zogen auch wir mit gezückten Kameras durch den Palast, der eines der Wahrzeichen Venedigs ist und verhielten uns wie typische Touris. „Knips“ hier, „knips“ da, wer konnte den prachtvollen Gemälden, die an Wänden und Decke hingen schon widerstehen? Aus dem Palast gelangten wir über die ebenfalls bekannte, viel fotografierte Seufzerbrücke in die Gefängnisse Venedigs. Mit einem obligatorischen Seufzer überquerten wir die Brücke und fühlten uns wie die Verbrecher aus vergangen Zeiten. Diese wurden direkt vom Gericht im Palast über die Brücke in ihre Zellen geführt. Von der Brücke konnten sie noch einen letzten Blick auf die Freiheit erhaschen, ehe sie seufzend abgeführt wurden.
Danach ging es für uns im Fußmarsch weiter. Gemeinsam mit Frau Schönfeld, die unsere Reise ein paar Tage mit ihrer Familie begleitete, marschierten wir einmal quer durch Venedig.
Der nächste Tag begann wieder mit einer schaukelnden Fahrt. Diesmal zur Biennale di Venezia, die dieses Jahr, wie immer, in Venedig stattfand. Die Biennale ist eine internationale Kunstausstellung, die alle zwei Jahre in Venedig ausgerichtet wird. Uns hatte es zuerst in die städtischen Gärten Venedigs verschlagen, in denen allerlei Kunst im sogenannten Länderpavillon aufzufinden war. Die diesjährige Biennale stand unter dem Motto „All the World’s Futures“. Jedes Land hatte sich auf seine Weise mit der Fragestellung beschäftigt, wie die Zukunft wohl aussehen wird.
Ich kann nur sagen, dieser Tag war unbeschreiblich eindrucksvoll. Für Kunstliebhaber war die diesjährige Biennale auf jeden Fall ein Muss. Höhepunkte waren ein höhlenartiger Raum voller, an roten Fäden hängender Schlüsseln, wie im japanischen Pavillon und einer Wand voller gemalter Gesteinsproben im niederländischen Ausstellungshaus.
Auch am nächsten Tag sammelten wir noch mehr Kunsteindrücke im industriellen Arsenalegelände, dem ehemaligen Waffenlager und Schiffsbauareal. Diesmal direkt aufeinander folgend, ohne eine Trennung der Länder. Wir sahen einen Raum, der bunt angesprüht war und wie von einem Erdbeben zerstört wirkte; ein Wasserbecken, dessen Steg sank, je mehr Personen sich auf ihm befanden und somit den Klimawandel thematisierte; sowie Licht- und Schriftobjekte, um nur einiges zu nennen. Diese zeigten uns erneute Interpretationen der Zukunft auf. Die Mehrzahl der Ausstellungsräume bedrückte uns und wir sehnten uns zunehmend nach etwas Positivem.
Unseren letzten Tag verbrachten wir zunächst im ehemaligen Ghetto Venedigs, in dem wir uns als Geschichtsprofil mit der Judenverfolgung beschäftigten. Von dort aus übernahm jeder seine Stadterkundung bis zum Abend hin selbst. Einige nutzten die Zeit, um weitere Ausstellungsorte der Biennale zu erkunden, andere um Museen zu besichtigen und wieder andere, um die Glasbläserinsel Murano auszukundschaften.
Um unseren letzten Abend gebührend ausklingen zu lassen, trafen wir uns alle gemeinsam zu einem Picknick am Lido, dem Strand Venedigs. Die Sonne, der Wind und das Meer verlockte so gut wie alle von uns, sich in ihre Badesachen (einigen reichten jedoch ihre T-Shirts und kurze Hosen) zu schmeißen, um Bekanntschaft mit dem italienischen Meer zu machen. Klitschnass, aber immer noch bei bester Laune verbrachten wir den Abend bis zur Dämmerung am Strand.
Der nächste Tag brachte Aufbruchsstimmung mit sich. Auf-Wiedersehen-sagen, arrivederci Venedig. Die letzten Erinnerungen wurden gemacht, die letzten Souvenirs gekauft und ein letztes Mal auf italienischem Boden gelümmelt...
Am Nachmittag beschleunigte erneut das Flugzeug, hob in die Lüfte und trug uns heim nach Deutschland.
Ciao, bella Italia, wir hatten eine verdammt tolle Zeit zusammen!