Wie wir Krakau kennengelernt haben

Die Profilreise des dritten Profils

Als wir nach Krakau fuhren, hatten wir eigentlich nicht viele Erwartungen. Wir hatten uns nämlich, ehrlich gesagt, erhofft, in weiter entfernte Städte, wie Istanbul zu fahren. Nun aber saßen wir in einem Bus nach Krakau und mussten uns der Tatsache stellen, dass wir eigentlich nicht viel über Krakau wissen. Das änderte sich jedoch unerwartet schnell und spätestens nach den fünf Tagen hatten wir Krakau dann doch lieben gelernt. Krakau ist ein Märchenschloss mit einem ganz schön tiefen Keller. Eine hübsche Fassade mit unerwartet viel Tiefgang.

Tatsächlich lernten wir die hübsche Fassade gleich zu Beginn, am Montag, kennen und alle fanden den Teil Krakaus ganz schnell unglaublich sympathisch. Zunächst einmal ist da der unübersehbar schöne Marktplatz, mit seinem Steinboden, dem bunten Treiben in den Tuchhallen, den romantischen Altbauten und den noch viel romantischeren weißen Pferdekutschen. Außerdem lernten wir schnell, dass, wenn man die Krakauer danach fragt, warum etwas so ist, wie es ist, man oft eine Legende zu hören bekommt. Zum Beispiel: Warum ist der eine Turm der Marienkirche prunkvoll und der andere schlicht? Dann heißt es: Es waren einmal zwei Brüder, die beide jeweils einen Turm bauen lassen sollten, welches in einen Konkurrenzkampf ausartete. Als der eine Bruder mit seinem Turm fertig war, brachte er den anderen mit einem Dolch um, ehe dieser seinen Turm in Prunk und Glanz noch hätte übertrumpfen können. Anstatt einfach zu sagen: Krakau ist damals mit hoher Wahrscheinlichkeit das Geld für die Fertigstellung des zweiten Turms ausgegangen. Naja, ersteres klingt halt schöner. Und zum Schluss ist da die offensichtliche Herzlichkeit der Krakauer, die wir immer wieder aufs Neue entdeckten. Zum einen war da der liebe, alte Herr, der uns bei der Suche nach etwas, ich glaube es war ein Diamant, von dem Frau Schlüter in ihrem papiernen Guide gelesen hatte, half und uns augenblicklich und mit ganz viel Herzblut, nicht nur die Bedeutung des Diamanten, sondern direkt der ganzen Kirche, erläuterte. Und zum anderen war da der unglaublich lustige Guide des Salzbergwerks. Bei keiner anderen Tour haben wir so viel gelacht und das, obwohl wir uns, obgleich in einem Salzpalast, doch ein paar ganze hundert Meter unter der Erde befanden. Apropos unter der Erde, nun zu dem Teil, für den wir dann doch etwas Zeit brauchten, um uns mit ihm anzufreunden und an dem wir vielleicht immer noch herum zu kauen haben. Es begann mit dem jüdischen Friedhof und seiner kleinen „Klagemauer“ aus zerbrochenen Grabsteinen, der von den Nationalsozialisten damals als Müllhalde missbraucht wurde. Es ging weiter in der ehemaligen Emaillewaren-Fabrik Schindlers, in der heutzutage ein historisches Museum lieg, in dem es uns frei stand es eigenständig zu erkunden. Es lieferte mit seiner Lage in Schindlers Fabrik, dem Kinoraum und dem wackeligen Boden zum Ende des Rundgangs hin, einen realistischen Eindruck über Krakau unter der Nazibesetzung und darüber hinaus. Und letztendlich fuhren wir am Donnerstag nach Ausschwitz, wo wir das dortige, unglaublich bewegende Museum, die Gefängnis- und Folterkammern, die „graue Wand“ und die Gleise und Ruinen Birkenaus besichtigten. Und all dies zeigte uns, wie viel Krakau eigentlich schon gesehen hat, wie viel Wissen es birgt und zu vermitteln hat und, wie es manchmal auch ganz direkt etwas sagen kann, ganz und gar ohne Ausschmückungen.